Kathmandu während Dashain ist wie Berlin zu Weihnachten

.Kathmandu zur Dashain Zeit ist ein bisschen wie Berlin zu Weihnachten. Family Time, alle Locals fliegen aus. Leere Straßen, überall Parkplätze. Mehr Luft zum Atmen, da viel weniger Pollution.

Thamel, Kathmandu´s Tourist Center:  Dashain lights decoration and empty streets.

Alles ist festlich geschmückt: ob mit Lichterketten oder den typischen tibetischen Gebetsfahnen.

A Nepali carrying chicken on his back, through the streets of Thamel, fully decorated with prayerflags.

Drumherum zahlreiche Aktivitäten rund um das große kulturelle Fest. Dashain ist ein Hindu Fest. Nicht nur eines der vielen, sondern das größte und längste von ihnen allen. Es dauert zehn bis fünfzehn Tage und endet bei Vollmond. Die ersten neun Tage sind zu Ehren der Göttin Durga,

Devi Durga Shakti

die schöne Frau auf einem Löwen reitend, in dem Fall in der Rolle der Töterin des Büffeldämons.

Diese soll durch Opfergaben besänftigt werden. Aufgrund dessen findet man zu dieser Zeit auf den Märkten unzählige Schafe, Ziegen, Enten, Hühner und Wasserbüffel, die als Opfertiere gekauft werden.

Bedarf von 70.000 Ziegen

Mit Entsetzen lese ich bei meinem allmorgendlichen Studieren der Daily Newspaper (Himalayan), dass 30.000 Ziegen bereits in Kathmandu angekommen sind. Der Bedarf an Ziegen zur Dashain Zeit wird auf 70.000 beziffert. Um das zu bedienen ist Nepal auf Indien angewiesen, woher 60% der Tierlieferungen kommen.

Quelle: Kathmandu Post

Die Nepal Food Cooperation (NFC) hat dieses Jahr den fixen Preis von Lebend-Ziegen auf Rs 510 pro Kilo festgelegt, das sind umgerechnet circa 3,85€/Kilo. Damit ist der Preis um circa 40cent pro Kilo zum Vorjahr gestiegen. Bergziegen sind teurer mit Rs. 710 das Kilo.

Erst wird das Blut geopfert, dann das Fleisch gegessen.

Erst wird das Blut geopfert, dann das Fleisch gegessen. So der Brauch. Weil darunter auch kranke Tiere sein können und sich durch Schlechtes-Fleisch-Essen Krankheiten im Volk verbreiten, hat der Staat sich folgendes überlegt: Er hat ein Medical Control Team gebildet, welches die großen Märkte abfährt, die Tiere prüft und dann entsprechend kennzeichnet: blaue Farbe am Horn = gesund, rot markierte Hörner = krank. Am achten und neunten Tag findet das Schlachten statt. Das Massenschlachten bereitet mir Magenschmerzen, doch ein Verurteilen wäre nicht richtig. Die Bräuche sind Teil der Religion und gehören somit zur Kultur der Hindus.

Mit meinem Gewissen ist das nicht zu vereinbaren. Die Familienzusammenkunft hingegen schon. Zudem wird alles im Haus blank geputzt und in Banken kommt es zu langen Schlangen, weil alle neue Scheine brauchen, um diese auf den Opfertisch neben die anderen Gaben zu legen.

Die Banken sind darauf vorbereitet, dass die Nachfrage nach sauberen und frischen Banknoten zur Zeit des größten Festes des Jahres steigt. Drachen steigen lassen ist der schönste Brauch, wie ich finde.

The kite runner. Captured in Patan, Durbar Square. Check Insta @theshilpakars

Gleich neben Schaukeln. Welch´ schöne Tradition. Es werden an vielen Orten für die Kinder extra Schaukeln aus Bambus und Kokosseilen errichtet. Der Sinn: Das Schaukeln nimmt die schlechten Gefühle und ersetzt sie durch lebensspendende. Der zehnte Tag nennt sich Dashami und ist ein großes Familienfest, an dem die Kinder die Eltern besuchen und von ihnen die Tika (der rote Punkt auf der Stirn) bekommen. An diesem Tag reisen die Verwandten von Nah und Fern an. Das Zusammenkommen mit der Familie ist der am Dashain meist geschätzte Aspekt. Ähnlich dem deutschen Weihnachtsfest. Man trägt dem Brauch nach neue Kleidung und hält ein Festmahl ab. Das ganze Land reist dazu von A nach B.

2,2 Mio Menschen verlassen das Valley in nur 4 Tagen

The Himalayan Times berichtet über 2,5 Mio Menschen (2,2 Mio davon auf dem Landweg in einem Zeitraum von nur 4 Tagen), die das Valley verlassen, um zu ihren Familien zu fahren, das ist eine Million mehr als vor drei Jahren als ich schon mal über das Festival schrieb. Hier der Auszug aus meinem Artikel:

Die Metropolitian Traffic Police Division sagt der Zeitung: „50.000-59.000 Personen haben die Hauptstadt verlassen nach Ghatasthapana (der 1. Tag des Dashain). In der Vorwoche waren es 33.000-43.000. Weniger als sonst aufgrund der Benzinkrise. Im Vorjahr haben 71.000 Menschen, die Kathmandu verlassen, um ihre Verwandten zu besuchen. An normalen Tagen verlassen rund 7500 Fahrzeuge das Valley. Insgesamt verlassen 1,5 Mio Menschen ihr Heimatdistrikt in diesen Tagen. ” 

Das heißt, an der Stelle ist ein enormer Anstieg zu verzeichnen. Auch die Angabe aus 2015 von „7500 Fahrzeuge verlassen täglich an normalen Tagen das Valley“ ist nun mit 9000 täglich beziffert.

Das Festival steht für den Sieg des Guten über das Böse. Dashain erinnert die Menschen daran, dass die Zeiten manchmal “sehr hart und sehr traurig“ sein können, aber letztendlich das Gute immer siegen wird.

Shakti,  die weibliche Urkraft.

So feiert man den Sieg der Göttin Durga über die Dämonen. Durga ist die bekannteste Form der Göttin im Hinduismus, die in verschiedenen Erscheinungsformen existent ist. Sie ist die Göttin der Vollkommenheit und verkörpert Kraft, Wissen, Handeln und Weisheit. Im Tantrismus hingegen ist sie Shakti, sprich die weibliche Urkraft, die Energie des Universums.

Der Büffeldämon, den sie samt seiner Armee der Legende nach tötet, steht neben Kraft in seiner Symbolik auch für Verblendung, Egoismus und geistigen Tod, für die inneren Feinde des Menschseins. Durga kämpft mit geistigen und kosmischen Kräften, mit dem „Schwert der Weisheit“. Durch ihren Sieg wird sie als Verleiherin von göttlicher Weisheit und Erkenntnis erkannt. So die Glaubenstheorie. Soweit, so gut.
Für das Dashain Festival wird eigene Musik gemacht, die „Mal Shree Dhun“ genannt wird. Tempelbesuche gehören dazu. Am 10. Tag des Festivals geben die Menschen „Prasad“. Prasad heißt: „Das was Frieden gibt.“ Dementsprechend opfern die Hindus Lebensmittel, Tulsi (Basilikum), Blumen und Vibhuti (heilige Asche) an die Gottheiten. Wie man bei uns sagt: „Fröhliche Weihnachten“, wünschen sich die Nepali Hindu in diesen Tagen: HAPPY DASHAIN!

Behind the lines:
Wenn das nepalesische Volk keine Religionen und damit keine Feste hätte, hätten sie weder Hoffnung noch Ablenkung von den eigentlichen Dramen, die das Leben an diesem Fleckchen Erde so spielt. Doch statt in Trauer zu versinken als ärmstes Land des asiatischen Kontinentes, als erdbebengefährdetste dazu, entscheiden sich die Menschen für die Freude am Leben, feiern ihr Fest und vergessen ein wenig die harte Bürde, die das Leben ihnen auferlegt. Für einen Kulturanthropologen wie mich sind die Vorbereitungen auf dieses große Spektakel super interessant anzusehen, denn innerhalb dessen zeigt sich die Kultur in voller Pracht. Umso mehr ich weiß, umso besser kann ich verstehen. Und am liebsten verstehe ich alles um mich herum.
Weil dieses Fest das beliebteste und längste des Landes ist, haben die Behörden inkl. des Government in Nepal für 7 Tage geschlossen. Sollte man planen im Oktober nach Nepal zu fliegen, ist es wichtig zu wissen, wann genau Dashain ist und damit einhergehend, wann die Behörden – wie TAAN, NTB, Immigration Office etc. geschlossen/geöffnet haben. Zudem sind an den Haupttagen viele Geschäfte und Restaurants geschlossen.  Heute ist der letzte Tag des Festivals, Haupttag, selbst ein Taxi zu bekommen, wird schwierig und die Stadt ist eigentlich voll davon. Ab morgen läuft dann alles wieder seinen geregelten Gang. HAPPY DASHAIN, ihr Lieben. FROHES FEST <3

Freitag, 19.10.18 Thamel / Kathmandu. Nepal